Die königliche Krankheit
Hämophilie, auch „Bluterkrankheit“ genannt, gehört zu einer der ältesten beschriebenen Krankheiten die bereits vor 2000 Jahren in einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums - dem Talmud - erwähnt wurde. Im 19. Jahrhundert war sie in vielen Königshäusern verbreitet. So litten beispielsweise die Nachkommen von Königin Viktoria als auch Mitglieder anderer europäischer Königshäuser an der damals noch rätselhaften Erkrankung.
Hämophilie bezeichnet eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, bei der die Blutgerinnung aufgrund eines Mangels an bestimmten Gerinnungsfaktoren beeinträchtigt ist. Die Voraussetzung für eine normal funktionierende Blutgerinnung ist das Zusammenspiel aus verschiedenen Gerinnungsfaktoren. Unser menschliches Blutgerinnungssystem verfügt über 12 verschiedene Faktoren welche mit römischen Ziffern von I bis XIII (ausgenommen Faktor VI) bezeichnet werden. Bei hämophilen Menschen fehlt ein jeweils wichtiger Faktor ganz oder ist nicht in ausreichender Menge bzw. nur mit verminderter Aktivität verfügbar, weshalb die Blutgerinnung gestört oder verzögert ist. Bei den 2 bekanntesten Formen der Hämophilie unterscheidet man nach A und B. Bei der Hämophilie A liegt ein vererbter Mangel oder eine verringerte Aktivität des Gerinnungsfaktors VIII – Faktor 8 – vor. Bei der Hämophilie B hingegen fehlt der Gerinnungsfaktor IX – Faktor 9 – oder es liegt eine verringerte Aktivität dieses Faktors vor.
Betroffene, die an einer Hämophilie erkrankt sind, besitzen ein erhöhtes Risiko für Blutungen aller Art. Je nach Schweregrad der Hämophilie kann es bei ihnen nach Unfällen, selbst durch kleine Verletzungen, bei operativen Eingriffen oder aber auch ganz spontan zu stärkeren Blutungen kommen. Da diese Blutungen nur schwer oder gar nicht gestoppt werden können, verläuft auch die Wundheilung bei ihnen anders. Blutplättchen sind die kleinsten Zellen in unserem Blut. Verletzen wir uns, wandern diese zur offenen Wunde. Binnen dieses einsetzenden Reparaturprozesses, wird die Wunde durch die Blutplättchen und einem von den Blutplättchen gebildeten Gerinnungsstoff abgedichtet und kann dank der “Krustenbildung” verheilen. Bei hämophilen Menschen schließen sich die entsprechenden Wunden durch die anhaltende Blutung nicht oder nur langsam, dies kann dazu führen, dass ihre “Krustenbildung” verhindert wird, oder ihr Wundverschluss immer wieder aufbricht. Da die für die Hämophilie verantwortlichen veränderten Gene auf dem X-Chromosom liegen und rezessiv vererbt werden, erkranken vor allem Jungen und Männer an Hämophilie, da sie nur ein einzelnes X-Chromosom haben. Frauen mit dem defekten Gen auf einem ihrer X-Chromosomen können in der Regel durch das 2. gesunde X-Chromosom den Mangel an dem entsprechenden Gerinnungsfaktor ausgleichen. Sie sind dann jedoch Konduktorinnen, also Überträgerinnen, der Erkrankung.